Nein heißt Nein

16. März 2016

Die Fraktion der Partei Die Grünen hatte am 01.07.2015 einen Gesetzentwurf eingebracht. BT-Drucks. 18/5384

Das Bundesministerium der Justiz hat im Juli 2015 einen Referenten-Entwurf erstellt. Entwurf

Mit einem offenen Brief an das Bundeskanzleramt vom 25.11.2015 hat der Deutsche Juristinnenbund e. V. die Bundesregierung aufgefordert, die Verschärfung des Strafrechts fortzusetzen. Pressemitteilung

Am 18.12.2015 hat die Bundesregierung den Referenten-Entwurf des BMJ zur Abstimmung mit den Bundesländern und Verbänden frei gegeben, wie sich aus einer Pressemitteilung vom 13.02.2016 ergibt. Mitteilung

Am 09.01.2016 hat die Bundesregierung die Notwendigkeit der zügigen Umsetzung des Entwurfes mit den Ereignissen in Köln am 31.12.2015 begründet. Artikel

Am 19.02.2016 hat die Fraktion der Partei Die Linke einen Gesetzentwurf eingebracht. BT-Drucks. 18/7719

In der Begründung heißt es: „Der unverhandelbare und im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz ‚im Zweifel für den Angeklagten‘ (sogenannter in-dubio-pro-reo-Grundsatz) bringt es mit sich, daß die vorgeschlagene Gesetzesänderung in sog. Zweierkonstellationen nicht zwingend zu mehr Verurteilungen führen wird. Dies muß ehrlichkeitshalber dazu gesagt werden.“

Am 04.03.2016 hat der Bundesverband der Frauenberatungsstellen eine Informationskampagne begonnen, mit der unter dem Schlagwort Nein heißt Nein auf eine online-petition zur weiteren Verschärfung des Sexualstrafrechts hingewiesen wird. Als Ziel wird ‚Vergewaltigung verurteilen‚ angegeben.

Am 16.03.2016 hat die Bundesregierung beschlossen, den Regierungsentwurf in den Bundestag einzubringen. Artikel

(Nachtrag vom 06.01.2017: Das BMJ hat den Artikel am 10.11.2016 mit der Nachricht des Inkrafttretens als elektronisches Palimpsest überschrieben.)

Das BMJ hat dazu eine pathologische Selbstdarstellung des Bundesministers der Justiz Herrn Heiko Mass veröffentlicht, wonach die Ereignisse in Köln nur der willkommene Anlass für eine Verschärfung des Strafrechts gegen die Männer der „Mitte“ sind. „Namensartikel

Ich hätte mir gewünscht, dass es nicht erst die Angriffe in Köln gebraucht hätte, damit alle begreifen, wie wichtig das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ist„.

Der darin geäußerten Intention zufolge, dient der Entwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Beschwichtigung der öffentlichen Wahrnehmung und wird in dem nun folgenden Gesetzgebungsverfahren verschärft und schließlich beschlossen werden, vermutlich während der Fussball-Europameisterschaft in dem Zeitraum vom 10.06. bis zum 10.07.2016 (Sitzungswochen des Bundestages vom 20.-24.06.2016 und vom 04.07. bis 08.07.2016).

Am 17.03.2016 fand auf Antrag der Fraktion der Partei Die Grünen im Deutschen Bundestag bereits einen Tag später eine Debatte über die Verschärfung des Sexualstrafrechts im Sinne des Gesetzesentwurfes der Fraktion Die Grünen vom 01.07.2015 statt.

Die wechselseitige Bezeugung der gemeinsamen Überzeugung findet sich auf den Seiten 15882 ff. (S. 78 pdf) beginnend mit dem Aufruf des Tagesordnungspunktes 10 auf Seite 15882 rechts unten des Protokolls. Plenarprotokoll

Der Abgeordnete der CDU/CSU Alexander Hoffmann: „Ich möchte vorab eines feststellen: Wir alle hier haben dem Grunde nach dasselbe Ziel. (..) Wir haben im Schulterschluss mit Frauenverbänden auf Handlungsbedarf hingewiesen. (..) Was wir eben nicht reihenweise produzieren wollen, ist folgende Verfahrenschronologie: Anzeige, Verfahren, Einstellung bzw. Freispruch, weil auch in diesem Verfahren der Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ gilt. (..) Dazu müssen wir das parlamentarische Verfahren nutzen. Wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir den Referentenentwurf so weiterentwickeln, so verdichten, dass keine Schutzlücken mehr bestehen.“

Die Schutzlücke ist demnach die Unschuldsvermutung, die im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu relativieren sein wird.

Am 18.03.2016 hat der Bundesrat in seiner 943. Sitzung gemäß Tagesordnungspunkt 10 über eine Entschliessung zur Verschärfung des Sexualsstrafrechts (Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung) abgestimmt, mit dem die Bundesregierung unter Punkt 5 aufgefordert wird, eine weitergehende Verschärfung des Sexualstrafrechts durchzuführen, wonach jede nicht (Anm: nachweislich) einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe gestellt wird. BR-Drucks. 91/16

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Strafbarkeit insbesondere nicht von der Anwendung von Gewalt oder von der Gegenwehr der oder des Betroffenen abhängig gemacht werden darf, vielmehr muss das fehlende Einverständnis der oder des Betroffenen Anknüpfungspunkt sein (im Sinne eines Nein-heißt-Nein)“

Die Ausschüsse hatten dem Bundesrat empfohlen, die Entschliessung unverändert zu fassen. TOP 10

Und so hat es der Bundesrat am 18.03.2016 unter TOP 10 beschlossen. Beschluss

Am 19.03.2016 hat der ‚Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmißbrauchs‘ unter dem Titel „Kein Raum für Kindesmissbrauch“ mit öffentlicher Plakatierung eine Informationskampagne begonnen, die Männer in dem öffentlichen Bewusstsein als potentielle Kinderschänder (und Vergewaltiger) abbildet, verbunden mit dem Symbol X für ein Nein. Materialien

Wo genau im Grundgesetz ‚Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung‘ vorgesehen waren, daran kann ich mich leider nicht erinnern.

Gemäß Artikel 76 Abs. 1 Grundgesetz sind Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zuzuleiten, der im Grundsatz binnen sechs Wochen Stellung nehmen kann. Anschließend wird die Gesetzesvorlage dem Bundestag zugeleitet und für die Beratung als Drucksache des Bundestages registriert. Das ist also bei regulärem Verlauf gegen Ende April zu erwarten.

Es sei denn, die Bundesregierung bezeichnet bei der Übersendung an den Bundesrat den Entwurf als eilbedürftig. Dann kann sie gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 3 Grundgesetz den Gesetzentwurf bereits nach drei Wochen und noch vor einer Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag zuleiten.

Mit Schreiben vom 01.04.2016 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf dem Präsidenten des Bundesrates zur Stellungnahme übersandt. Der Bundesrat hat den Vorgang unter der Nummer 162/16 erfasst. Das Schreiben der Bundesregierung, für das Frau Bundeskanzler Dr. Merkel verantwortlich zeichnet, findet sich auf Seite 3. Drs. 162/16

In dem Schreiben heißt es, der Gesetzentwurf sei besonders eilbedürftig, damit bestehende Strafbarkeitslücken, die im Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung aufgetreten sind, schnellstmöglich geschlossen werden können.

Der Bundesrat hat den Entwurf  als besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG registriert. Link

Am 22.04.2016, exakt drei Wochen nach der Übersendung des Gesetzentwurf an den Bundesrat, hat die Verwaltung des Bundestages unter der Überschrift „Bessere Ahndung von Sexverbrechen“ angekündigt, der Gesetzentwurf der Bundesregierung werde zusammen mit dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke am 28.04.2016 im Bundestag in erster Lesung beraten. Ankündigung

Zwischen dem 22.04. und dem 26.04.2016 hat die Verwaltung des Bundestages die Überschrift des Dokumentes dann allerdings zu „Schutz der sexuellen Selbstbestimmung“ geändert. Ankündigung

In der vorläufigen Tagesordnung für die 167. Sitzung am Donnerstag, 28.04.2016, war die erste Beratung der beiden Entwürfe als Tagesordnungspunkt 5 vorgesehen, der Entwurf der Regierung noch ohne BT-Nummer.

Laut einem Bericht der Zeitung Tagesspiegel vom 20.04.2016 forderte SPD-Fraktionsvize Carola Reimann einen neuen Straftatbestand gegen tätliche sexuelle Belästigung, wonach unter anderem mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden soll, wer einer Frau an den bekleideten Hintern fasst. Herr Bundesminister der Justiz Heiko Maas unterstütze den Vorschlag: Man sei „offen für eine weitere Verschärfung mit Blick auf eine eigene strafrechtliche Regelung zum Grapschen„. Im Zuge der Reform des Sexualstrafrechts könne auch die sexuelle Belästigung als neuer Tatbestand geregelt werden.

Am 28.04.2016 dürfen sich also alle etwas wünschen.

Ehrlicher wäre es, die vakante Stelle bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu nutzen und neu zu fassen als

§ 175 StGB Heterosexuelle Handlungen

Ein Mann, der sexuelle Handlungen an einer Frau vornimmt oder von einer Frau an sich vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft.

Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn

1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 21 Jahre alt war oder

2. bei Berücksichtigung des Verhaltens derjenigen, gegen die die Tat sich richtet, das Unrecht der Tat gering ist.“

Um von „Sexverbrechen“ sprechen zu können, wie es die Verwaltung des Bundestages anfänglich tat, müsste die heterosexuelle Handlung allerdings im Mindestmaß mit einer Freiheitsstraße von einem Jahr oder darüber bedroht sein. Und Absatz 2 Nr. 2 müsste man wohl streichen, da er gegenüber Frauen benachteiligend wirkt (Burka-Regel wäre ein schönes Schlagwort, um den Abgeordneten des Bundestages die Komplexität menschlichen Verhaltens begreiflich zu machen).

Am 25.04.2016 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung als Drucksache des Bundestages veröffentlicht. BT-Drucks. 18/8210

Für die bereits in die Tagesordnung der Sitzung des Bundestages am 28.04.2016 aufgenommene erste Lesung des Gesetzentwurfes war das der späteste zulässige Zeitpunkt, da gemäß § 78 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundestages die Beratung einer Gesetzesvorlage frühestens drei Tage nach Verteilung der Drucksache beginnt. Der Entwurf ist jetzt auch mit der BT-Nummer in das Dokumentations- und Informationssystem aufgenommen.

Am 26.04.2016 hat der Deutsche Juristinnenbund e. V. mit einer Pressemitteilung auf einen offenen Brief vom 26.04.2016 hingewiesen, mit dem eine Gruppe von Verbänden mit der Bezeichnung Frauenverbände die Abgeordneten des Bundestages in dem Gesetzgebungsverfahren zu einer großen Koalition für eine radikale Verschärfung des Strafrechts gegen heterosexuelle Menschen auffordert, zu einem Wechsel des Paradigma. Brief

In der beigefügten Liste der Unterstützer ist unter anderen der ‚Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs‘ genannt.

Zeitgleich mit diesem offenen Brief haben die Medien am 26.04.2016 begonnen, über die Abstimmung am 28.04.2016 durch Wiedergabe der Auffassung dieser Frauenverbände zu berichten, wie nachstehende Beispiele zeigen:

Deutschlandfunk vom 26.04.2016: „Frauenrat bezeichnet Reform als unzureichend„. Der link ist zwischenzeitlich abgestellt worden.

Süddeutsche Zeitung vom 26.04.2016: „Wenn ein Nein nicht reicht„. Süddeutsche

Die Berliner Morgenpost hingegen berichtet von einem realen Fall vor dem Landgericht Berlin, bei dem Staatsanwältin und Richter bereits von der Täterschaft des einer Vergewaltigung beschuldigten Mannes überzeugt waren, als dessen Verteidiger in der Hauptverhandlung ein Video vorlegte, in dem das Verhalten der Frau während der angeblichen Vergewaltigung gezeigt wird. Um das mit der geplanten Änderung des Strafrechts angestrebte Ziel zu erreichen, wonach – erklärtermaßen – jede Behauptung (Anzeige) einer Vergewaltigung zu einer Verurteilung wegen Vergewaltigung führen soll, erscheint es daher ratsam, zugleich das Verbot der Verwertung heimlicher Ton- oder Videoaufnahmen zur Verteidigung eines der Vergewaltigung (oder sonstiger „Sexverbrechen“ des StGB n.F) beschuldigten Mannes in der Interessenabwägung zu regeln. Die geplante Änderung des Gesetzes würde sonst bedeuten, die Frau hätte in diesem Fall im Kopf nein gesagt, wie ihre spätere Anzeige beweist, während ihr Körper an der Tathandlung mitgewirkt hat, womit sie als Teilnehmerin ihrer eigenen Vergewaltigung zu gelten hätte. Damit droht eine Verurteilung wegen paradoxer (selbstbezüglicher) Vergewaltigung.

Am 27.04.2016 hat der Ausschuß des Bundesrates für Recht unter TOP 5 über den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten. Tagesordnung

Am 27.04.2016 hat der Ausschuß des Bundesrates für Frauen unter TOP 2 über den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten. Tagesordnung

Am 28.04.2016 hat der Ausschuß des Bundesrates für Innneres unter TOP 6 über den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten. Tagesordnung

Das Ergebnis der nicht öffentlichen Sitzung wird in der Regel als Beschlussempfehlung an das Plenum des Bundesrates als BT-Drucksache veröffentlicht.

Auch der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages hatte bereits am 27.04.2016 für den Fall einer Verweisung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung an die Ausschüsse des Bundestages im Plenum am 28.04.2016 unter Tagesordnungspunkt 5 die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und dem Gesetzentwurf der Fraktion die Linke am 01.06.2016 beschlossen (zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich noch vorbehaltlich einer Verweisung an den voraussichtlich federführenden Ausschuss für Recht). Tagesordnung

Bei dieser Anhörung, und damit bei der späteren Beschlussempfehlung des Ausschusses an den Bundestag, soll nun auch der Gesetzentwurf der Fraktion Die Grünen vom 01.07.2015 (BT-Drucks. 18/5384, s. o) wieder einbezogen werden.

Am 28.04.2016 hat der Bundestag in seiner 16. Sitzung interfraktionell, also auf Grund einer Absprache zwischen den Fraktionen beschlossen, die Gesetzentwürfe BT-Drucks. 18/8210 und 18/7719 an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (federführend) den Innenausschuss und die Ausschüsse für Frauen, für Gesundheit und für Menschenrechte zu verweisen (einen Ausschuss für Männer gibt es ja nicht). Die Redebeiträge der vorhergehenden Aussprache, beginnend mit Herrn Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas, finden sich in dem Protokoll der Sitzung auf den Seiten 16286 f. (Seite 46 unten im PDF). Protokoll

Es ist mir zu dumm, darüber zu sprechen.

Laut Pressemeldungen vom 01.05.2016 in Welt und FAZ fordern die Vorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen, Herr Volker Kauder (CDU) und Herr Thomas Oppermann (SPD), von dem Justizminister Herr Heiko Maas (SPD), die geplante Änderung des Sexualstrafrechts weiter zu verschärfen. Die Neuregelung zur Bestrafung müsse „dem Grundsatz folgen: ein Nein ist ein Nein“ sagte Herr Kauder, „die Vorschläge der Frauen in der Union für eine weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts sind absolut richtig„. Und Herr Oppermann erklärte: „Mich persönlich hat die Diskussion überzeugt, das es nur eine Regelung gibt, die die sexuelle Selbstbestimmung umfassend schützt: Nein heißt Nein„. Damit bilden sie die von dem Deutschen Juristinnenbund e. V. geforderte große Koalition für eine Verschärfung des Strafrechts gegen heterosexuelle Handlungen.

Der Bundesrat wird in seiner Sitzung am 13.05.2016 unter Tagesordnungspunkt 15 über den Entwurf des Gesetzes zur Verschärfung des Sexualstrafrechtes entscheiden. Tagesordnung

Am 03.05.2016 wurde dazu die Empfehlung der Ausschüsse veröffentlicht. BR-Drucks. 162/1/16

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung gehe nicht weit genug. Die strafrechtliche Sanktion solle an den Willen des Opfers anknüpfen. Jede nicht einvernehmliche Handlung müsse „sexualstrafrechtlich“ relevant werden. Unerhebliche Handlungen wie z. B. ein „Luftkuss“ (so der Bundesrat) könnten durch eine ‚verfassungsimmanente Verhältnismäßigkeitsprüfung‘ im Einzelfall von der Strafe ausgenommen werden. Wegen des niedrigschwellig ansetzenden Tatbestandes (alles ist strafbar) müsse der Rechtsfolgenkatalog angepasst werden und auch Raum für eine Geldstrafe lassen. Soweit das Ziel.

Um den wichtigen Zwischenschritt anlässlich der Ereignisse zu Sylvester 2015 nicht ungenutzt zu lassen, soll die noch weiter gehende Verschärfung des Sexualstrafrechts aber, so heißt es zumindest dort, bis zu dem Abschlussbericht der dazu bereits durch Herrn Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas eingesetzten ExpertInnenkommission für die Große Reform des Sexualstrafrechts zurück gestellt werden. Der konkrete Vorschlag zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung lautet daher, zunächst nur ergänzend einen § 184 i in das Strafgesetzbuch einzufügen:

Wer eine andere Person körperlich sexuell belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“ (schwerer als schwererer ist schwer vorstellbar).

Das Wort körperlich ist dabei wie das Wort sexuell als auf den Körper bezogen zu verstehen. Die Formulierung ist damit redundant (wenn nicht die sexuelle Provokation durch eine Frau von der Strafbarkeit ausgeschlossen werden soll) und das Wort körperlich wäre als überflüssig zu streichen. Das Wort Belästigung setzt eine Handlung voraus, die nicht erwünscht ist, also eine nicht einvernehmliche Handlung. Einvernehmen setzt vorherige Zustimmung der anderen Person voraus. Die Formulierung des Vorschlages kann damit reduziert werden auf:

Wer eine sexuelle Handlung gegenüber einer anderen Person vornimmt, die nicht (Anm: nachweislich) einvernehmlich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft“.

Aber: „Rein verbale Angriffe reichen für eine Strafbarkeit nicht aus„, so in einem Anflug liberaler Großzügigkeit die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundesrates.

Daneben steht als Vorschlag die bereits in dem Entwurf der Bundesregierung enthaltene Regelung (Auszug):

Wer unter Ausnutzung einer Lage, in der eine andere Person auf Grund ihres körperlich oder psychischen Zustandes zum Widerstand unfähig ist, (…) sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder an sich von dieser Person vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren (…) bestraft„.

Und daneben steht die Entschliessung des Bundesrates vom 18.03.2016 (s. o.), wonach jede nicht (Anm: nachweislich) einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe gestellt werden soll.

Am 13.05.2016 hat der Bundesrat unter Tagesordnungspunkt 17 den Beschluss gemäß der Empfehlung der Ausschüsse für Recht und Frauen vom 3. Mai gefasst. Die Redebeiträge finden sich ab Seite 193 des Protokolls (Seite 15 im PDF). Protokoll

Das Wort „einvernehmlich“ verstehen die Befürworter dabei in einem zivilrechtlichen Sinn, die Folge nicht nachgewiesener übereinstimmender Willenserklärungen hingegen strafrechtlich. Dieses Verständnis ist grundlegend für die gewünschte Regelung der Beweislast, die als zivilprozessuale Vorstellung an die Stelle der Unschuldsvermutung tritt. Hetero-sexuelle Handlungen sind (für den Mann) strafbar, es sei denn, es ist eine vorherige Zustimmung (Einwilligung) erklärt worden. Behauptet eine Frau, sie habe nicht eingewilligt (Anzeige), bleibt der Mann nur straffrei, wenn er diese Einwilligung nachweist. Vergleiche dazu den Beitrag „Ja heißt Ja – Konsensorientierter Ansatz im deutschen Sexualstrafrecht“ von Referentin Lara Herning und Politologin Johannah Illgner, veröffentlicht in der Zeitschrift für Rechtspolitik im C. H. Beck Verlag (2016, 77 f), herausgegeben durch die ehemalige Bundesministerin für Justiz Frau Brigitte Zypries (SPD). Die Autorin Frau Lara Herning ist Referentin des Queer-Referats der Universität Heidelberg. Die Autorin Frau Johannah Illgner hat zum Beruf SPD (queer-Feminismus und Netzproteste). Die angestrebte Verschärfung des Sexualstrafrechts beruht in letzter Konsequenz auf der Vorstellung von Menschen, für die bereits die Existenz eines biologischen Maskulinums Gewalt darstellt, und die Sexualität zwischen Frauen und Männern eine Aberration.

Am 14.05.2016 hat die Bundesregierung mitteilen lassen, die Verschärfung des Sexualstrafrechts solle noch vor der Sommerpause des Bundestages beschlossen werden. Artikel

Der Termin für die Anhörung des Ausschusses des Bundestages für Recht und Verbraucher zur Verschärfung des Sexualstrafrechts am 01.06.2016 ist am 19.05.2016 öffentlich bekannt gemacht worden. Bekanntmachung

In der Anhörung werden zum Zeitpunkt der ersten Ankündigung noch nicht genannte Personen und Gruppen, durch den Ausschuss als Experten bezeichnet, zu den drei Gesetzentwürfen gehört. Beispielsweise der Deutsche Juristinnenbund e. V. als Experte für die Durchsetzung der Interessen einer bestimmten Gruppe von Frauen.

Nicht angehört wird voraussichtlich Herr RiBGH Thomas Fischer, der in der Wochenschrift Die Zeit am 10.05.2016 zu deutlichen Worten gefunden hat. Kolumne

Nicht angehört wird voraussichtlich der Berliner Strafverteidiger Herr Dr. Alexander Stevens, der am 17.05.2016 einen Bericht aus der Realität der Verfahren im Sexualstrafrecht veröffentlicht hat. Bericht

Nicht angehört wird voraussichtlich Frau Prof. Dr. Monika Frommel von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel. Artikel

Am 19.05.2016 berichteten die Medien über Herrn Alexander Bonde, ehemals Minister in Baden-Württemburg, den seine Ex-Geliebte nach der Trennung wegen Vergewaltigung angezeigt hatte, die Vorwürfe dann aber als Mißverständnis bezeichnete. Die Berichterstattung der Medien über diesen Fall endete daher sogleich mit der ersten Meldung vom 19.05.2016, um die Verschärfung des Sexualstrafrechts nicht zu gefährden. Bericht

(Nachtrag vom 19.08.2016: inzwischen ist sogar dieser Artikel des FAZ vom 19.05.2016 über den Fall Bonde nicht mehr öffentlich zugänglich).

Eingestellt ist bis zum 1. Juni 2016 auch die Berichterstattung über das Verfahren zur Verschärfung des Sexualstrafrechts. Am 01.06.2016 dann werden alle Medien übereinstimmend berichten, alle Experten hätten die Verschärfung des Strafrechts befürwortet, weil Strafbarkeitslücken bestehen, und eine weitergehende Verschärfung des Strafrechts gefordert.

Am 24.05.2016 hat der Ausschuss für Recht des Bundestages die Liste der Personen veröffentlicht, die am 01.06.2016 in öffentlicher Sitzung als Experten angehört werden sollen. Liste

Die Stellungnahmen der Experten werden üblicherweise erst kurz vor dem Termin bekannt gemacht.

Zu den Experten gehören:

Frau Dagmar Freudenberg, Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbund e. V.

Frau Rechtsanwältin Christina Clemm. Frau Clemm gehört bereits der ExpertInnen-Kommission des Bundesministeriums der Justiz für die noch weiter gehende Verschärfung des Sexualstrafrechts an, ist also Mitarbeiterin der Regierung, zu deren Gesetzentwurf sie durch den Bundestag als Gesetzgeber angehört werden soll. Sie ist in dem offenen Brief des Deutschen Juristinnenbund e. V. vom 26.04.2016, mit dem eine große Koalition für die Verschärfung des Strafrechts gefordert wird, als Unterstützerin genannt. Frau Rechtsanwältin Clemm wurde schon bei einer früheren öffentlichen Anhörung zur Reform des Sexualstrafrechts, die der Ausschuss für Recht am 28.01.2015 durchgeführt hatte, als Expertin gehört, damals noch zusammen mit Herrn RiBGH Thomas Fischer. Zusammenfassung

(Anders als Frau Rechtsanwältin Clemm hatte sich Herr Richter Fischer damals aber kritisch geäußert und kann deshalb jetzt leider nicht mehr dabei sein.)

Frau Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte e. V. Dieser Verein wird aus dem Bundeshaushalt finanziert, also durch die Bundesregierung aus Steuermitteln.

Frau Roswitha Müller-Piepenkötter, Bundesvorsitzende des Weißer Ring e. V. und Staatsministerin a. D. Der Weiße Ring e. V. ist in dem offenen Brief des Deutschen Juristinnenbund e. V. vom 26.04.2016, mit dem eine große Koalition für die Verschärfung des Strafrechts gefordert wird, als Unterstützer genannt.

Frau Prof. Dr. Tatjana Hörnle von der Humboldt Universität Berlin.

Herr Prof. Dr. Jörg Eisele, Universität Tübingen.

Herr Erik Ohlenschläger, Staatsanwaltschaft Bamberg.

Am 25.05.2016 äußert sich zaghafter Protest in der Zeitung die Welt. Artikel

Am 26.05.2016 hat der Bundestag die Stellungnahme des ersten Experten, dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Bamberg Herrn Erik Ohlenschläger veröffentlicht. Ohlenschläger

Die Stellungnahme beginnt: „Die beabsichtigte Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung wird aus Sicht der staatsanwaltschaftlichen Praxis ausdrücklich begrüßt, da hierdurch die bestehenden Gesetzeslücken bei der Verfolgung sexueller Übergriffe geschlossen werden können. Der Gesetzesentwurf enthält erhebliche Verbesserungen gegenüber der bestehenden Rechtslage, um die bisherigen Defizite in der Strafverfolgungspraxis zu beseitigen, die insbesondere aufgrund der sexuellen Übergriffe in der Sylvesternacht in Köln mit großer medialer Wirkung und mit traumatischen Folgen für die Opfer zu Tage getreten sind„.

Wenn man es nicht besser wüßte, könnte man den Text für eine Pressemitteilung des Deutschen Juristinnenbundes halten, des Bundesministeriums der Justiz, eigentlich. Herr Ohlenschläger vertritt dabei die „staatsanwaltschaftliche Praxis“ und damit nach seiner Behauptung alle Staatsanwälte, deren oberster Dienstherr in der Hörigkeit der Bundesminister für Justiz und damit die Regierung ist, zu deren Gesetzentwurf er als Experte durch den Gesetzgeber gehört wird.

Merkwürdig ist nur ein auf Seite 5 unten eingerückter Textbaustein, in dem einige Bedenken des Herrn RiBGH Fischer zusammengefasst erscheinen: „Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang aber auch die mögliche gesellschaftliche Tragweite einer Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes vor unerwünschten sexuellen Handlungen (..)“. Dabei geht es gerade um diese Auswirkungen.

Zwei eigene Wörter sind in diesen Text eingefügt, rechtstreue Bürger.

Im Verlauf des 31.05.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages dann die Stellungnahme von Frau Roswitha Müller-Piepenkötter veröffentlicht. Müller-Piepenkötter

Frau Müller-Piepenkötter macht gleich eingangs deutlich, warum sie durch den Bundestag als Expertin ausgewählt worden ist: „Dass es hier Schutzlücken gibt, dürfte, wie auch den Gesetzentwürfen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN zu entnehmen ist, inzwischen unstreitig sein„. Das ergebe sich auch aus einer Studie, wonach nur 8,4 % der Strafanzeigen zu Verurteilungen führen. Mehr muss man nicht wissen. Es folgen dann noch einige bonmots: „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung greift deshalb zu kurz, weil er sich nicht komplett von der Vorstellung des Überwindens eines Widerstandes oder des Ausnutzen einer Lage, in der Widerstand unmöglich ist, löst. (..) Und es besteht die Gefahr, dass wiederum an dieser Voraussetzung manche Verurteilung scheitert„. Frau Müller-Piepenkötter verweist auf einen Formulierungsvorschlag der ebenfalls als unabhängige Expertin benannten Frau Prof. Dr. Tatjana Hörnle zu einem neuen § 179 StGB „Sonstiger Angriff gegen die sexuelle Selbstbestimmung„, wobei Frau Müller-Piepenkötter in einem vorhergehenden Absatz schon deutlich gemacht hat, jede (hetero-) sexuelle Begegnung eines Mannes und einer Frau sei als „sexueller Angriff“ zu verstehen. Frau Müller-Piepenkötter behauptet dann, ein Ausufern der Strafbarkeit sei nicht zu befürchten (nachdem das ihr eingangs erklärtes Ziel war), weil immer noch eine Äußerung des fehlenden Einverständnisses festgestellt werden müsse. Zwei Sätze danach weist sie darauf hin, mit der im Hintergrund weiter arbeitenden Expertenkommission des Bundesministeriums der Justiz solle ein Paradigmawechsel erreicht werden, durch den das Nötigungselement gänzlich entfällt. Sie verlangt, das nicht abzuwarten, sondern gleich umzusetzen. Außerdem dürfe es keine Erheblichkeitsschwelle mehr geben. Sonst werde dem Prinzip „Nein heißt Nein“ nicht ausreichend Rechnung getragen.

‚Das Prinzip Nein heißt Nein‘. Ein Werbeslogan erhält durch Wiederholung Verfassungsrang.

Im Verlauf des 31.05.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages auch die Stellungnahme von Frau Prof. Dr. Tatjana Hörnle veröffentlicht. Prof. Dr. Hörnle

Es beginnt mit der Feststellung, der § 177 StGB entstamme dem Mittelalter. Hingegen: „Die zentralen verfassungsrechtlichen Leitideen (Gleichberechtigung der Geschlechter und Recht auf Selbstbestimmung) stammen allerdings aus dem 20. Jahrhundert„.

Mir scheint, das StGB ist den Deutschen als Teil des Rechtsstaats von den Alliierten (wieder) aufgebürdet worden, während die Abgeordneten des Bundestages und die Mitglieder der Regierung nun unter geistiger Führung des Deutschen Juristinnenbund zum Klerus einer mittelalterlichen Kirche mit neuem Paradigma werden, die jedes Leben mit Strafe unter ihr Dogma zwingt. Gegen die Aufklärung, gegen die Vernunft, gegen die Demokratie, gegen den Rechtsstaat.

Am Abend des 31.05.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages auch die Stellungnahme von Frau Heike Rabe veröffentlicht. Rabe

Frau Rabe verweist auf die Notwendigkeit der Integration von ’soft law‘ – zwecks härterer Bestrafung (S. 4 Abs. 2). Ansonsten wirkt die in diesem Text anklingende Obsession etwas verstörend.

Am 01.06.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages, kurz vor Beginn der Anhörung die Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Jörg Eisele veröffentlicht. Eisele

Herr Prof. Dr. Eisele fungiert als der inzwischen bei solchen Schein-Veranstaltungen übliche Alibi-Jurist, der über Regelungstechnik sprechen darf (ähnlich Herrn Prof. Dr. Marc-Phillipe Weller bei der Anhörung zur Abschaffung der Gleichheit vor dem Gesetz, vulgo Frauenquote, am 06.03.2015). Es gehört seinen Angaben nach ebenfalls zu der ExpertInnen-Kommission des Bundesministeriums der Justiz für die noch weiter gehende Verschärfung des Sexualstrafrechts an, ist also Mitarbeiter der Regierung, zu deren Gesetzentwurf er durch den Bundestag als Gesetzgeber angehört werden soll. Daher kritisiert er, dass nicht zunächst das Ergebnis dieser Kommission abgewartet werde (oder des Untersuchungsausschusses, den der Landtag von Nordrhein-Westfalen zu den Ursachen der Ereignisse an Sylvester 2015 in Köln eingesetzt hat, nebenbei gesagt). Das klingt, als würde sich ein Statist über die Änderung des Drehbuches beschweren.

Am 01.06.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages, kurz vor Beginn der Anhörung die Stellungnahme von Frau Rechtsanwältin Christina Clemm veröffentlicht, erstellt unter dem gemeinsamen Briefkopf mit ihrer Partnerin Frau Rechtsanwältin Barbara Wessel, Spezialistin für das Recht der Lebenspartnerschaft und Beraterin des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland und bei der Lesbenberatung Berlin e. V. Clemm

Auf Seite 11 des Textes erwähnt sie die ‚Sorgen‘ von Kritikern (die nicht genannt werden und offensichtlich nicht zu Wort kommen), denen zufolge mindestens 50 % aller Anzeigen wegen Vergewaltigung falsch seien, kann diese liebenswerten, aber unreifen Kinder jedoch beruhigen. Eine Studie beweise, entgegen dieser Stereotype (denke: Tatsachenermittlung als diskriminierendes Vorurteil gegen Frauen) liege der Anteil nur bei 3 %.

Weil also eine Studie (Umfrage) behauptet, nur 3 % aller Behauptungen (Strafanzeigen) einer Vergewaltigung seien falsch, kann die Unschuldsvermutung entfallen. Und so kommt Frau Clemm, wie Herr Ohlenschläger, zu dem Ergebnis, auch in Zukunft könne jeder rechtstreue Bürger seine Sexualität frei und ungestört leben.

Am 01.06.2016 haben die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages, kurz vor Beginn der Anhörung die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbund veröffentlicht. djb

Die Stellungnahme verweist, wie auch die unabhängige Expertin Frau Müller-Piepenkötter, auf den Gesetzgebungsvorschlag der weiteren unabhängigen Expertin Frau Prof. Dr. Hörnle. Der Wechsel des Paradigma verlange eine klare Regelung (S. 4 oben): „Wer ohne (Anm: nachweislich) Einverständnis einer anderen Person (hetero-) sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder an sich von dieser Person vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft„. Das soll es dann wohl werden.

Die Teilnehmer der Anhörung am Nachmittag des 01.06.2016 fanden bei Beginn der Veranstaltung auf ihren Plätzen bereits ein von acht Abgeordneten verfasstes Eckpunktepapier vor, über das die Süddeutsche Zeitung ebenfalls schon am 01.06.2016 unter dem vermeidbaren Titel „Ja zu ‚Nein heißt Nein‚“ berichtet. SZ

Darin wird gefordert, eine wahnsinnig komplizierte Norm mit neun Absätzen zu schaffen, die im Kern schlicht lautet:

Wer gegen den Willen einer anderen Person (..) sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von dieser Person an sich vornehmen lässt (..) wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft“ (Seite 6). Eckpunktepapier

Aber: „Nicht kriminalisiert wird sozialadäquates Verhalten (des rechtstreuen Bürgers), etwa bei der Anbahnung von sexuellen Kontakten„. Allerdings: „Das Opfer kann selbst darüber entscheiden, ob es einen Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung als verfolgenswert empfindet oder nicht„.

Es fehlt an Verständnis für die Bedeutung des Unterschiedes zwischen sozial geregelten und strafrechtlich geregelten Verhalten, in dem die Freiheit des Menschen zum Ausdruck kommt, dessen Formulierung das Grundgesetz ist (war). Einfach ausgedrückt: Der Satz „der rechtstreue Bürger hat nichts zu befürchten“ wäre auch aus dem Mund von Roland Freisler wahr.

Am 02.06.2016 hat der Bundestag unter der vermeidbaren Überschrift „Ein breites Ja zu ‚Nein heißt Nein‘“ eine Pressemitteilung zu dem Ergebnis der Anhörung am 01.06.2016 veröffentlicht. Pressemitteilung

Der Eingangssatz der Pressemitteilung lautet: „Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses über drei Gesetzentwürfe zur Reform des Sexualstrafrechts hat sich eine breite Zustimmung zu einer Lösung gezeigt, die sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer Person generell unter Strafe stellt. Die beiden im vergangenen Jahr eingebrachten Gesetzentwürfe der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (..) und Die Linke (..) sind, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung, solche ‚Nein heißt Nein‘-Lösungen. Dagegen geht der zuletzt von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf (..) einen anderen Weg. Er fügt den bestehenden Tatbestandsmerkmalen, die zur Strafbarkeit eines sexuellen Übergriffs führen, weitere Merkmale hinzu, um die Schutzlücken zu schliessen. Allerdings wird dieser Weg auch von den Koalitionsfraktionen nicht weiter verfolgt„. Nur gegen den erkennbaren Willen, aber generell.

Am 02.06.2016 hat der Bundestag die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf als Bundestag-Drucksache veröffentllicht. BT-Drucks. 18/8626

Die kurze zustimmende Gegenäußerung befindet sich am Schluss des Dokumentes auf Seite 12: „Die Bundesregierung ist auch für die vom Bundesrat vorgeschlagene Nichteinverständnislösung offen„.

Die Stellungnahme des Bundesrates mit der zustimmenden Gegenäußerung der Bundesregierung wird am 10.06.2016 nachträglich in die Ausschüsse verwiesen (Nr. 3). Drucks. 18/8767

Am 02.06.2016 mahnt Frau Bundeskanzler Merkel die Medien, Mitteilungen nicht mehr zeitnah gleichförmig, sondern qualitativ ausgewählt zu vermitteln, damit sie nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Und versprach dafür Steuergelder. Morgenpost

Am 03.06.2016 veröffentlicht die FAZ einen Gastbeitrag von Frau Renate Künast (Die Grünen), Vorsitzende des Ausschusses für Recht des Bundestages, unter dem Titel ‚Auch den Frauen gehört die Freiheit‚. FAZ

Es sei gesellschaftlich lange die Sorge verbreitet gewesen, ob und wie Männer vor falschen Strafanzeigen geschützt werden können. (..)

Eine weitere Berichterstattung findet nicht statt.

Auf den Gastbeitrag von Frau Künast in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. Juni anwortet allerdings Frau Pia Lorenz am 6. Juni 2016 in der Legal Tribune Online unter dem Titel „Reform des Sexualstrafrechts: Der freie Wille der Frauen“ mit einem Bericht über eine im Rahmen des Deutschen Anwaltstages kurzfristig anberaumte aktuelle Stunde zum Thema ‚Reform des § 177 StGB / Istanbul-Konvention‘, an der am 03.06.2016 auch Herr Fischer und Frau Künast teilnahmen. Artikel

Zitat: „Die Anwälte, die der recht spontan anberaumten Diskussion folgten, standen den geplanten Änderungen offenbar überwiegend kritisch gegenüber. Auch der Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins zeigte sich bisher zurückhaltend. Und es waren, auch wenn Renate Künast versuchte, das anders darzustellen, auch viele weibliche Anwältinnen, die laut klatschten, als Kritiker Thomas Fischer sein Plädoyer gegen die Pläne aus Berlin mit den Worten beendete ‚Ich sehe keine Lücke. Und in Köln ist nichts passiert, was nicht strafbar wäre‚“.

Dem Bericht zufolge hat Frau Künast auch behauptet, die mit einer zu geringen Zahl von Verurteilungen (Freisprüchen) und Strafbarkeitslücken begründete Verschärfung des Sexualstrafrechts werde nach ihrer Absicht nur symbolisch wirken. Das ist dann wohl die größte Lüge von allen.

Ebenfalls am 6. Juni 2016 schreibt Herr Peter Stützle in der Zeitschrift Das Parlament, die der Bundestag herausgibt, unter der vermeidbaren Überschrift „Nein soll Nein heißen„, in die Reform des Sexualstrafrechts käme durch ein Eckpunktepapier vom 01.06.2016 Bewegung. Eine der Autorinnen, Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis I) habe die Erwartung geäußert, daraus werde noch vor der Sommerpause in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes ein Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, „mit dem das Gesetz dann zügig verabschiedet werden kann„. Nein heißt Nein

Man sollte über die Verschärfung des Sexualstrafrechts nicht abstimmen, sondern durch Akklamation beschliessen.

Es wird nun eine gesetzgeberische Leistung, wenn man Regierung als Täuschen und Austricksen der Bevölkerung versteht, die Veröffentlichung der Beschlussempfehlung der Ausschüsse für Recht und Frauen, das Weiterkommen der deutschen Nationalmannschaft in der Europameisterschaft (Beginn 10.06.2016), die zweite Lesung mit dem Änderungsvorschlag im Plenum des Bundestages und die dritte Lesung zur Annahme der so niemals geplanten Verschärfung der Strafbarkeit heterosexuellen Verhaltens aufeinander abzustimmen, um der Ablenkung sicher zu sein, und zugleich kurzfristig genug anzuberaumen und zu veröffentlichen, damit keine Zeit für eine Öffentlichkeit bleibt.

Zur Unterstützung beginnt am 09.06.2016 in den Medien, nach vorangehendem Aufbau eines künstlichen Ereignisses durch Netzproteste, eine Kampagne zur Täuschung und Manipulation der Öffentlichkeit, mit der nun auch die FAZ in dem Nichts der W-Artikel versinkt. Aufhänger: eine Frau Lohfink hat im Jahr 2012 gegen zwei Männer Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet, die durch ein Gericht nach Beweisaufnahme von dem Vorwurf frei gesprochen wurden. Daraufhin wurde Frau Lohfink mit einem Strafbefehl einer falschen Verdächtigung schuldig gesprochen und hat dagegen Einspruch eingelegt- so die Berichterstattung, die ich nicht auf eine rechtlich zutreffende Darstellung geprüft habe, da es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, was richtig ist.

Es beginnt am 09.06.2016 mit einem Artikel unter dem Titel „Warum sich Hunderte mit Gina-Lisa Lohfink solidarisieren„. FAZ

Daran schließt sich am 11.06.2016 ein Artikel in dem Spiegel online an, unter dem Titel „Reform des Sexualstrafrechts: Schwesig schaltet sich in den Fall Gina-Lisa Lohfink ein“ mit dem Subtext ‚Grüne fordern schnelle Reform des Sexualstrafrechts‘. Spiegel

Mit diesem Artikel hat sich Der Spiegel zwischen Glaubwürdigkeit und Manipulation zugunsten der Regierung gegen die Öffentlichkeit entschieden. So etwas habe ich noch selten gesehen.

Am 11.06.2016 folgt die Welt unter dem Titel „‚Hör auf‘ -Zwei Worte, die ein Gesetz ändern sollen„. Welt

Der Artikel der Welt enhält ein Bild, das Frau Lohfink in Begleitung des homosexuellen Designers Herrn Florian Wess auf dem Flur des Gerichts zeigt.

Am 11.06.2016 folgt erneut die FAZ unter dem Titel „In unserem Rechtssystem läuft etwas schief„. FAZ

Am 11.06.2016 folgt der Deutschlandfunk unter dem Titel „Sexualstrafrecht – Der Fall Lohfink beschäftigt Bundesrepublik“ mit einem integrierten ‚tweet‘ von Herrn Bundesminster der Justiz Heiko Maas an die Medien. Deutschlandfunk

Und Frau Lohfink lädt Herrn Maas zu ihrem Prozess ein. Stern

Es folgen mit dem Stichwort Lohfink alle anderen, abgestimmt, gleichzeitig, mit gleichem Inhalt (und z. T. wiederholt): Abendzeitung München, Augsburger Allgemeine, Bayerischer Rundfunk, Bayernkurier, Berliner Kurier, Berliner Morgenpost, Bild, BZ, Deutschlandfunk, Express, Focus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Gala, Hamburger Morgenpost, Hannoversche Allgemeine, Huffington Post, Kölner Stadtanzeiger, Mittelbayerische Zeitung, MDR, N-TV, N-24, Neue Osnabrücker Zeitung, Reuters, Rheinische Post online, RTL-online, Spiegel, Stern, Stuttgarter Zeitung, Der Tagesspiegel, Tagesschau, taz Hamburg, WDR, Der Westen, Die Welt usw.

In der Huffington Post schreibt die Autorin Hannah Dahlberg, Autorin des queer-feministischen Blog ‚diestoerenfriedas‚, von dem Fall Lohfink als einer historischen Chance für ein neues Sexualstrafrecht. Politische AktivistInnen müssten im entscheidenden Moment die (Anm: zufällige) Gunst der Stunde, die (Anm: zufälligen) Gelegenheiten die sich bieten, nutzen. Huffington

Am 12.06.2016 berichtet wiederum der Spiegel mittels der Frau Lohfink, Herr Bundesminister Heiko Maas und der Fraktionsführer der SPD Herr Oppermann würden jetzt den Druck auf die Union erhöhen, die Verschärfung des Sexualstrafrechts noch vor der Sommerpause zu beschliessen. Spiegel

Und am 12.06.2016 erläutert Frau Ramona Pisal, Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbund (und Mitglied des ‚Netzwerks Nein heißt Nein‘), in der Süddeutschen Zeitung mittels der Frau Lohfink ihre Vorstellungen unter dem Titel „Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch schlagen, kratzen beissen muss„. SZ

Am Abend des 13.06.2016 reiht sich auch Die Zeit ein – durch ein Interview mit Frau Dagmar Freudenberg, Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes, die am 01.06.2016 durch die Ausschüsse für Recht und Frauen des Bundestages als Expertin zu der von ihr propagierten Verschärfung des Sexualstrafrechts gehört worden ist. Zeit

Und am 14.06.2016 meldet die Druckausgabe der FAZ, die Abgeordneten von SPD und CDU seien sich jetzt überraschend einig geworden, ‚Nein heißt Nein‘ solle Teil des Strafrechts werden und die Verschärfung als Änderung in den Gesetzentwurf der Regierung aufgenommen werden. Eine junge Frau habe dabei nachgeholfen.

Damit endet die (viertägige) Medienkampagne.

Am 17.06.2016 folgt eine repräsentative Umfrage, wonach 85 % der 85 Millionen befragten Einwohner in Deutschland für die Verschärfung des Strafrechts sind. Behauptung

Die sofort weiter verbreitet wird. Die Welt

Auf der Seite der infratest dimap Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung GmbH (HRB 35138 B), findet man, sehr klein, die beauftragte Frage:

Befürworten Sie diese Verschärfung des Sexualstrafrechts oder sollte es bei der bisherigen Gesetzeslage bleiben, nach der sich das Opfer körperlich zu Wehr setzen muss?Infratest

Und die (angebliche) Fallzahl: 1.000 durch Telefoninterviews zwischen dem 13. und 15. Juni 2016 Befragte, also dem Höhepunkt der Lohfink-Kampagne, nach Angaben von Infratest zufällig ausgewählt, ohne Angabe der Methode und ohne Angabe der Zahl der Antworten.

Wie ein Gesetzgebungsverfahren, das auf Lügen beruht, und eine Medienkampagne, die aus Lügen besteht, die Glaubhaftigkeit der Behauptung bezeugen sollen, nur 3 % aller Strafanzeigen wegen Vergewaltigung seien falsch, ist mir ein Rätsel, wenn die handelnden Personen nicht denken, die Betrachter seien Idioten, und diese Idioten hätten keine andere Wahl.

Was der Rechtsstaat braucht, wäre eine Untersuchung zu der Frage, ob eine Person oder eine Gruppe von Personen, die nicht Partei ist, über einen Einfluss verfügt, der es ihr ermöglicht, die Abgeordneten des Bundestages und ihre Vertreter in den Ausschüssen sowie die Mitglieder der Regierung über die Grenzen der im Bundestag vertretenen Parteien hinweg zu einem einheitlichen Verhalten zu bestimmen, und alle Organe der Presse und des Rundfunks gleichzeitig entweder zu Schweigen oder zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt zu einer inhaltlich gleichen Berichterstattung zu bestimmen, in der mittels eines medial hergestellten Ereignisses allein ihre Darstellung wieder gegeben wird, und ob und wie diese Person oder Gruppe von Personen auf das Entstehen dieses medialen Ereignis selbst oder die Person, die Gegenstand dieses medialen Ereignisses ist, Einfluss ausgeübt hat und wie.

Die gemeinsame Kampagne der Mitglieder der Regierung und der Mitglieder des Bundestages mit den Medien zeigt, die Abgeordneten des Bundestages wollen die Verschärfung des Sexualstrafrechts gegen heterosexuelle Menschen jetzt mit Hilfe einer Porno-Darstellerin auch formal beschliessen. Dafür stehen noch die Sitzungswochen in der 25. Kalenderwoche vom 20. bis zum 24.06, und zuletzt vor der Sommerpause in der 27. Kalenderwoche vom 04. bis zum 08.07.2016 zur Verfügung.

Am 21.06.2016 äußert sich noch einmal Herr Fischer. Zeit

Am 24.06.2016 veröffentlicht die Verwaltung des Bundestages die Tagesordnung für die 183. Sitzung des Bundestages am 07.07.2016. Der Bundestag wird am 7. Juli 2016 in zweiter und dritter Beratung, auf Grund des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des sexuellen Selbstbestimmung die Gesetzentwürfe der Grünen und der Linken zur Verschärfung des Sexualstrafrechts gegen heterosexuelle Menschen beschliessen (TOP 5). Tagesordnung

(Nachtrag vom 06.01.2017: die Tagesordnung der 183. Sitzung des Deutschen Bundestages am 07.07.2016 ist über das Internet unter dem angegebenen link nicht mehr zugänglich.)

In der Tagesordnung wird auf eine Beschlussempfehlung der Ausschüsse für Recht und Frauen Bezug genommen, die noch nicht veröffentlicht ist. In der Tagesordnung für die nächste nicht öffentliche Sitzung des federführenden Ausschusses für Recht am 22.06.2016 ist mit Stand der Veröffentlichung zum 24.06.2016 die Beschlussempfehlung nicht enthalten.

Das heißt, der Bundestag wird am 7. Juli 2016 in zweiter Lesung die geplante Verschärfung vornehmen und anschliessend in dritter Lesung beschliessen.

An diesem Tag findet das zweite Spiel im Halbfinale der Fussball-Europameisterschaft statt.

Am 27.06.2016 äußert sich Frau Monika Frommel. Novo-argumente

Am 27.06.2016 äußert sich Frau Hannelore Crolly (und erwähnt den Fall Bonde). Welt

Am 27.06.2016 hat die Verwaltung des Bundestages einen Vorbericht zu der Beschlussfassung veröffentlicht. Es sei nicht leicht, den einfachen Grundsatz Nein heißt Nein so in einen Gesetzestext zu übertragen, dass die Unschuldsvermutung nicht mehr entgegen steht. Vorbericht

Am 28.06.2016 äußert sich noch einmal Herr Fischer. Zeit

Am 29.06.2016 hat die Verwaltung des Bundestages die Tagesordnung für die Sitzung des ebenfalls beteiligten Ausschuss für Inneres am 06.07.2016 veröffentlicht. Unter dem Tagesordnungspunkt 12 findet sich die Beschlussfassung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Darin heißt es: „Hierzu wurde/wird verteilt:18(4)524 Stellungnahme„. Die Frist für die Abgabe der Voten ist der 06.07.2016. Tagesordnung

Das heißt, der Beschluss zirkuliert als interner Entwurf ohne Kenntnis der Öffentlichkeit und wird erst am 06.07.2016, einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag, in den Ausschüssen als Beschlussempfehlung an den Bundestag formal angenommen, so dass die Öffentlichkeit erst nach der Beschlussfassung im Bundestag von dem Inhalt erfahren wird.

Gesetzesvorlagen werden gemäß § 78 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestages in drei Beratungen (Lesungen) behandelt. In der ersten Beratung findet eine allgemeine Aussprache nur ausnahmsweise statt (§ 79 BT-GO). Am Schluss der ersten Beratung wird der Gesetzentwurf vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung gemäß Absatz 2 einem Ausschuß überwiesen (§ 80 Abs. 1 BT-GO). Die zweite Beratung beginnt am zweiten Tag nach der Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschußberichtes. Bei Vorlagen, die für dringend erklärt worden sind, kann eine Verkürzung der Frist mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages beschlossen werden (§ 81 Abs. 1 Satz 2 BT-GO). Die dritte Beratung erfolgt, wenn in der zweiten Beratung keine Änderungen beschlossen worden sind, anschließend, und wenn Änderungen beschlossen worden sind, am zweiten Tag nach Verteilung der Drucksache – bei dringlichen Entwürfen kann die Frist mit Mehrheitsentscheidung verkürzt werden (§ 84 BT-GO).

Am 30.06.2016 äußert sich Frau Sabine Rückert in der Zeit (S. 39). Zeit

Am 30.06.2016 hat die Verwaltung des Bundestages die Tagesordnung für eine Sitzung des Ausschuss für Gesundheit am 06.07.2016 veröffentlicht. Unter Tagesordnungspunkt 5 findet sich die Beschlussfassung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Frist für die Abgabe der Voten ist der 06.07.2016. Tagesordnung

Am 30.06.2016 hat die Verwaltung des Bundestages die Tagesordnung für die Sitzung des Ausschuss für Recht am 06.07.2016 veröffentlicht. Unter Tagesordnungspunkt 1 findet sich die Beschlussfassung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Frist für die Abgabe der Voten ist der 06.07.2016. Tagesordnung

Am 01.07.2016 hat die Verwaltung des Bundestages die Tagesordnung für die Sitzung des Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am 06.07.2016 veröffentlicht. Unter Tagesordnungspunkt 7 findet sich die Beschlussfassung über die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Die Frist für die Abgabe der Voten ist der 06.07.2016. Tagesordnung

Am 07.07.2016 hat der Bundestag über die Beschlussempfehlung der Ausschüsse für Recht und Frauen abgestimmt.

Nach der Abstimmung hat der Ausschuss für Recht die zugrunde liegende Beschlussempfehlung mit Datum vom 06.07.2016 veröffentlicht. BT-Drucks. 18/9097

Durch eine Neufassung des § 177 StGB sollen die derzeitigen Schutzlücken soweit wie möglich geschlossen werden, ohne sozialadäquates sexuelles Anbahnungsverhalten zu kriminalisieren“ (S. 2 zu Buchstabe c).

Sozialadäquates sexuelles Anbahnungsverhalten. Tiere unter Aufsicht der höheren Wesen.

Der Begriff der Vergewaltigung soll deutlich ausgeweitet werden, indem auch Tathandlungen erfasst werden, die nicht mit einer Nötigung des Opfers einhergehen. Hierdurch wird anerkannt, dass sexuelle Übergriffe sich für das Opfer unabhängig von einer Nötigung als eine Form sexueller Gewalt darstellen, auch wenn sich dies aus rein dogmatischer, strafrechtlicher Sicht anders darstellt“ (Seite 22 im PDF).

In der Beschlussempfehlung wird das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten festgelegt (Seite 3 im PDF).

Und so haben die Abgeordneten des Bundestages die Beschlussempfehlung zur Verschärfung des Sexualstrafrechts gegen heterosexuelle Menschen einstimmig angenommen. 

Die Redebeiträge finden sich in dem Protokoll der 183. Sitzung am 07.07.2016 ab Seite 17998 (Seite 34 im PDF). Protokoll

Die Namen der 599 von den anwesenden 599 Abgeordneten (der 631 Mandate), die in namentlicher Abstimmung mit Ja gestimmt haben, finden sich auf den Seiten 18106 bis 18018 (Seite 52 – 54 im PDF).

Der § 177 StGB lautet nach der Änderung zukünftig in seinem ersten Absatz:

Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt (oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme sexueller Handlungen oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt,) wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft„.

Mit der noch anstehenden großen Reform des Sexualstrafrechts, dies war die kleine, kann das Wort ‚erkennbar‘ gestrichen werden. Etwas versteckt ist das aber bereits in Absatz 2 des neu gefassten § 177 StGB enthalten, denn ebenso wird bestraft, wenn der Täter es ausnutzt, dass eine Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen (zu bilden oder) zu äußern, oder dass die Person aufgrund ihres (körperlichen oder) psychischen Zustandes in der (Bildung oder) Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist – „es sei denn, er (der Täter) hat sich der Zustimmung dieser Person versichert“ (so der Wortlaut).

Der § 184 StGB lautet in Absatz 1 zukünftig:

Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und hierdurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist„.

„Hierdurch belästigt“ heißt empfunden. Wenn ein Mann eine Frau berührt und sie dies als Belästigung empfindet, wird auf ihren Antrag der Mann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

Am 15.07.2016 äußerte sich in der Neuen Züricher Zeitung der Jurist Milosz Matuschek („Gefühlte Wahrheit als der alleinige Maßstab„). NZZ

Am 20.07.2016 äußerte sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Richter Herr Markus Löffelmann („Erziehung durch Strafe„). FAZ

Und dann, am 25.07.2016, erschien in der legal tribune online ein Artikel des Richter am Bundesgerichtshof Herr Mosbacher, in dem er die Sprache der Kritiker kritisiert und alle kritischen Juristen an das Mäßigungsgebot erinnert (lustig, wenn man an die Rolle des Juristinnenbund in dem Gesetzgebungsverfahren denkt) – vorbildlich gemäßigt ohne ein einziges Mal den kritisierten Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens mit der dazu gehörigen Manipulation der Öffentlichkeit oder den Inhalt des beschlossenen Gesetzes zu erwähnen. LTO

Ein bemerkenswerter Artikel, der mich an einen Text über die zeitgenössische Rezeption der französischen Revolution in Deutschland erinnert.

Ein durch den Bundestag auf Grund der zwischen Bund und Ländern konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) erlassenes Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates (Einspruchsgesetz). Laut Artikel 77 Abs. 1 GG werden Bundesgesetze nach ihrem Beschluss durch den Bundestag durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrat zugeleitet. Unverzüglichkeit richtet sich auf den nächsten Sitzungstermin des Bundesrates, der diesem eine ungekürzte, dreiwöchige Beratungsfrist eröffnet. Das ist die erste Sitzung des Bundesrates nach der parlamentarischen Sommerpause am 23.09.2016.

Der Bundestag hat den Bundesrat am 02.09.2016 unterrichtet. Drucks. 463/16

Der Bundesrat hat die Abstimmung als Punkt 12 in die Tagesordnung für seine erste Sitzung nach der parlamentarischen Sommerpause am 23.09.2016 aufgenommen (TOP 12). Tagesordnung

Der Bundesrat kann im Falle eines Einspruchsgesetzes lediglich binnen einer Frist von drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses die Einberufung eines gemeinsamen Ausschusses verlangen (Vermittlungsausschuss) und nach dessen Abschluss binnen einer Frist von weiteren zwei Wochen Einspruch einlegen. Macht der Bundesrat von diesen Möglichkeiten nicht Gebrauch, kommt das Gesetz mit Ablauf der Frist von drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses nach Art. 77 Abs. 2 GG zustande (Art. 78 GG) und wird dann durch den Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet (Art. 82 GG). Fehlt eine Bestimmung zum Inkrafttreten des Gesetzes, so tritt es 14 Tage nach der Verkündung in Kraft (Art. 82 Abs. 2 GG).

Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss für die Sitzung des Bundesrates am 23.09.2016 lautet, zu dem Gesetz einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen (S. 3 unten im PDF). Erläuterung

Der Bundesrat hat in der 948. Sitzung am 23.09.2016 beschlossen, keinen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu stellen, genauer gesagt: „Ausschussempfehlungen oder Landesanträge auf Anrufung des Vermittlungsausschusses liegen nicht vor. Daher stelle ich fest, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anruft“ (S. 23 f, 25 im PDF). Protokoll

Mit diesem Beschluss ist das Gesetz zur Verschärfung des Sexualstrafrechts gegen heterosexuelle Menschen zustande gekommen.

Initiatorin dieses Gesetzes, und verantwortlich für dieses Gesetz, ist Frau Bundeskanzler Doktor Merkel.

Das Gesetz tritt laut seinem Artikel 3 an dem Tag nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

Am 09.11.2016, dem Tag der erwarteten Wahl von Frau Hillary Clinton zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, ist in Deutschland das Gesetz zur Verschärfung des Sexualstrafrechts gegen heterosexuelle Menschen unter der Bezeichnung Gesetz zur Verbesserung des sexuellen Selbstbestimmung in der Ausgabe Nr. 52 des Bundesgesetzblatts verkündet worden und tritt infolgedessen am 10.11.2016 in Kraft.

Die Bedeutung des Strafrechts als Machtmittel zeigt das Beispiel des Internationalen Währungsfonds, als dessen geschäftsführende Direktorin Frau Christine Lagarde als einzige Kandidatin am 19.02.2016 bei der Wiederwahl erneut bestätigt wurde, gegen die das zuständige französische Gericht, der Court de Justice de la République (CJR), auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 17.12.2015 die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen des Vorwurfs der Amtsmissbrauch angeordnet hat, während bei ihrer ersten Wahl ihr damals noch männlicher Konkurrent Herr Dominique Strauss-Kahn bereits auf Grund der Behauptung einer Vergewaltigung, die nie zur Verhandlung kam, als Kandidat für diese Position ausgeschieden wurde. Das zuständige Gericht des Bundesstaates New York (Supreme Court of the State of New York) hat (später) mit Beschluss vom 23.08.2011 den strafrechtlichen Vorwurf gegen Herrn Strauss-Kahn – auf Antrag der Staatsanwaltschaft – nicht zur Verhandlung zugelassen, weil zu starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers bestanden. (Nachtrag vom 04.05.2016: nachdem ich hier einen Beitrag der Nachrichten-Agentur Reuters verlinkt hatte, ist dieser zwischenzeitlich nicht mehr zugänglich.) Die New York Times hat den Antrag der Staatsanwaltschaft veröffentlicht. Antrag

Christine Lagarde sera jugée devant la Court de justice de la République (CJR) pour son rôle, quand elle était ministre de l’économie, dans l’arbitrage dont avait  bénéficié l’homme d’affaires Bernard Tapie en 2008. C’est ce qu’a décidé la commission d’instruction de la CJR“ (Christine Lagarde muss sich vor dem Court de Justice de la République (CJR) verantworten für ihre Rolle, während ihrer Zeit als Minister der Wirtschaft, in einem Schiedsverfahren, von dem der Geschäftsmann Berard Tapie im Jahr 2008 profitiert hat. Das hat die Ermittlungskommission des CJR entschieden). Der Cour de justice de la Rèpublique ist als Gericht zuständig für die Beurteilung von Gesetzesverstössen (infractions) der Regierungsmitglieder während ihrer Amtszeit. Die commission d’instruction entscheidet über die Zulassung des Vorwurfs (der Anklage) zur Verhandlung. Gegen ihre Entscheidung ist die Beschwerde zum Kassationsgerichtshof (Revisonsgericht) zulässig.

Prosecutors took the rare step of requesting dismissal of the charges after they had discovered contradictions in the maid’s story and said they now questioned her credibility“ (Die Strafverfolger trafen die ungewöhnliche Entscheidung, die Einstellung des Verfahrens zu beantragen, nachdem sie Widersprüche in der Darstellung des Zimmermädchens entdeckt hatten, und erklärten, sie stellen jetzt ihre Glaubwürdigkeit in Frage – Nachtrag vom 04.05.2016: das war ein Auszug aus dem ursprünglich verlinkten Text der Nachrichten-Agentur Reuters).

Hier folgt ein Auszug aus der nunmehr angebundenen Veröffentlichung des Antrages der Staatsanwaltschaft der Stadt New York durch die New York Times: „The people of the State of New York move to dismiss the above-captioned indictment, which charges the defandant with sexually assaulting the complaint at a hotel in midtown Manhattan on May, 14 2011. (…) At the time of the indictment all available evidence satisfied us that the complaint was reliable. But evidence gathered in our post-indictment investigation severely undermined her reliability as a witness in this case„.

(Das Volk des Staates New York beantragt die vorstehend bezeichnete Anklage fallen zu lassen, mit der dem Beschuldigten ein sexueller Übergriff gegen die Anzeigende in einem Hotel in der Mitte Manhattans am 14. Mai 2011 vorgeworfen wird. (…) Zur Zeit der Anklageerhebung bestätigten alle verfügbaren Beweise die Glaubwürdigkeit der Anzeigenden. Aber die nach der Anklageerhebung ermittelten Beweise haben ihre Glaubwürdigkeit als Zeugin in diesem Fall stark unterminiert.“

Ob die Entscheidung des französischen Gerichts Bestand hat oder haben wird, ist mir nicht bekannt, weil über dieses Verfahren kaum berichtet wird, was an dem starken Schutz der Unschuldsvermutung durch die französische Verfassung liegen mag.

Der Cour de Cassation der Französischen Republik wird am 1. Juli 2016 über den Rekurs von Frau Christine Lagarde gegen den Beschluss der Ermittlungskommission des Cour de justice de la Rèpublique verhandeln. Nach Auffassung der französischen Presse die letzte Chance der Direktorin des Internationalen Währungsfonds einen Prozess wegen Amtsmissbrauch zu vermeiden. L’Express

In dem Artikel heißt es: „En décembre les magistrats de la CJR l’on renvoyée en procès, ce qui n’a pas empêché le conseil d’administration du Fonds monétaire international (FMI) de la reconduire, avec le soutien de la France, pour un deuxième mandat, qui démarre officielement la semaine prochaine„.

Übersetzung: „Im Dezember haben die Richter des Cour de Justice de la République sie (Anm: Madame Lagarde) in den Prozess verwiesen, was den Verwaltungsrat des Internationalen Währungsfonds nicht davon abgehalten hat, sie mit der Unterstützung Frankreichs für ein zweites Mandat im Amt zu bestätigen, das nächste Woche (Anm: 4. Juli 2016) offziell beginnen wird„.

In der Verhandlung vor dem Cour des Cassation am 1. Juli 2016 hat der Staatsanwalt dafür plädiert, die Beschwerde von Madame Lagarde zurückzuweisen. LeMonde

Der Cour de Cassation wird seine Entscheidung am 22. Juli 2016 bekannt geben.

Am 30. Juni 2016 hat der Cour de Cassation bereits die Rechtsbeschwerde des Herrn Bernard Tapie gegen die Aufhebung des Schiedsverfahrens, das Gegenstand der Vorwürfe gegen Frau Lagarde ist, zurückgewiesen. LeFigaro

Am 22.07.2016 hat der Cour de cassation seine Entscheidung bekannt gegeben, den Rekurs von Madame Lagarde gegen die Zulassung der Anklage wegen Amtsmissbrauch durch den Ermittlungsausschuss des Cour de Justice de la République zurückzuweisen. Damit geht das Verfahren dort in die Hauptverhandlung. LeFigaro

Aber das ist okay. Die Arme.